Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (2001) (100)

«MUT HABEN, ANREGEN, DISKUSSIONEN ANFANGEN, DAS SIND SCHON AUFGABEN DES HISTORISCHEN VEREINS» von klein auf. Und ich muss sagen, ich habe es auch nicht immer nur gern gemacht. Ich kann mich schon auch erinnern an Ausflüge mit dem Vater, bei denen man dann etliche historische Bauten be- suchen musste. Das ist nicht unbedingt das, was sich ein Kind erhofft von einem Ausflug. Man hat die Geschichte gekannt und nachgele- sen. In der Familie ist diese Art von kunstge- schichtlicher Tradition immer ein Thema gewesen. Auch von der musikalischen Seite her bin ich im- mer in Berührung gewesen mit dem Werk des Komponisten Rheinberger,6 mit seiner Musik, aber auch mit seinem Nachlass. Mit dem ist man ja ebenfalls aufgewachsen. Als Kinder haben wir dann immer einen Heidenspass gehabt, mit dem Flügel des Komponisten zu spielen. Den «nachzu- stimmen». Da sind die Tasten im wahrsten Sinne des Wortes geflogen. Der Flügel ist im Estrich ge- standen, im Roten Haus, im Turm oben, und da ist man halt auf die Tasten gestanden - es ist ja ein Stehflügel - und zum Spannen, zum Stimmen ge- langte man ja von oben zu den Stimmnägeln. Da sind wir auf die Tasten gestanden und haben gezo- gen, bis es geknallt hat. Es gab nichts Schöneres als wenn es dann so eine Saite zerrissen hat. So haben wir den Stehflügel sukzessive ruiniert. Irgendwann hat ein Restaurator das ganze In- strument wieder zusammengefügt. Die Bestandtei- le waren alle noch vorhanden. Das ist unser Spielplatz gewesen. Die alten Uni- formen des Flauptmanns Rheinberger.7 Und die Sä- bel! Da gab es in dem Estrich Schränke voll mit Klamotten und das Zeug ist halt rumgestanden. Die Gegenwart empfindet man immer als weni- ger erhaltenswert. Je älter etwas ist, desto mehr Distanz hat man dazu und man betrachtet es als et- was Besonderes. Das hat auch dazu geführt, dass in der Vergangenheit viel zerstört wurde. Man hat Gebäude abgebrochen, die man heute niemals mehr abbrechen würde. Aus kurzfristigen Überle- gungen heraus. Um Platz zu schaffen. Ein promi- nentes Beispiel ist der Abbruch der Alten Realschu- le in Vaduz. Dort neben dem Engländerbau, wo jetzt diese Lücke besteht. Dort befand sich die Alte Realschule und ein Ensemble an kleinen, alten 
Häusern stand daneben. Und ich meine, das war eine absolute Fehlentscheidung des damaligen Va- duzer Gemeinderates, diesen Abbruch zu verfügen. Einfach unter der Vorgabe oder Massgabe, dass man Platz schaffen muss für ein Kunsthaus. Aber: das war ja gar nicht die Alte Realschule. Das Ge- bäude war nur als Realschule genutzt worden, be- vor die Landesbibliothek hineinkam. Ursprünglich war es das erste Parlamentsgebäude des Landes Liechtenstein und der Ursprung der Landesver- messung, der Punkt Null, war genau dort, auf der Stiege des alten Landtagsgebäudes! Retrospektiv ist so etwas eine Katastrophe. Und so sind natürlich viele Objekte verschwunden. Gerade neulich an unserer Hundertjahrfeier wurde der Verkauf, die Veräusserung von wirkli- chen historischen Schätzen erwähnt. Zum Beispiel die Römerhelme. Das sind einzigartige Dokumente. Originale Römerhelme in einem relativ guten Er- haltungszustand. Zwei wurden im Land gefunden, keiner davon ist mehr da. Sie wurden veräussert.8 Der Palmesel? Wo ist der heute eigentlich? Marie-Theres Frick: Im Schweizerischen Landes- museum in Zürich. Volker Rheinberger: In Zürich. Ebenfalls verkauft. So ist sehr wertvolles Kulturgut aus irgendwelchen kurzfristigen Überlegungen heraus entweder ka- putt gegangen oder es ist ins Ausland abgewan- dert. Ich glaube, Kultur muss man als Kontinuität betrachten. Es ist nicht etwa etwas, das irgend- wann einmal passiert. Kultur ist etwas, das wächst und sich in vielen Formen bildet. Und ich finde, man ist ja nicht altmodisch, wenn man sich für die 5) Alexander Frick (* 1910; t 1991) war Vorstandsmitglied des Historischen Vereins von 1945 bis 1991. Zudem war er von 1945 bis 1962 liechtensteinischer Regierungschef. - Vgl. Nachruf von Alois Ospelt auf Alexander Frickt, in: JBL 91 (1992). S. 1-6. 6) Josef Gabriel von Rheinberger (* 1839; t 1901). 7) Feter Rheinberger (* 1831; t 1893). 8) Vgl. dazu auch die Ausführungen von Hans-Jörg Rheinberger, Klaus Biedermann und Norbert W. Hasler auf S. 16-26. 27-158 und 239-278 in diesem Jahrbuch. 299
	        

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