Volltext: Probleme des Kleinstaates gestern und heute

lischer Kirche nicht näher zu bestimmen genötigt waren. Es verstand sich von selbst, daß sich die Parteien mit der katholischen Kirche gut vertragen mußten, wollten sie nicht der Chancen beim Wahlvolk verlustig gehen. Die Volkspartei gebraucht in der Präambel ihres Programmes59 den Hinweis auf die religiöse Grundlage, ohne den sie nicht ausgekom­ men wäre, da sie als Oppositionspartei gegen die herrschende Ord­ nung, mit der die katholische Kirche aufs engste verflochten war, auftrat. Dort heißt es: «Die christlich-soziale Volkspartei steht auf dem Boden einer nationalen, volkstümlichen Politik, die sachlich und nicht persönlich, nicht kleinlich sein soll und auf geschichtlicher und religiöser Grundlage beruht.» Auch die Bürgerpartei gebraucht im politischen Teil ihres Program­ mes eine allgemeine Formulierung, wenn sie unter Ziffer 2 eine «Ord­ nung nach den Grundsätzen der katholischen Religion»60 postuliert. Lediglich in den wirtschaftlichen Programmsätzen — an einer Stelle, an der man es nicht erwarten würde — konkretisiert sie ihr Verhält­ nis zur Kirche. Sie erhebt die Forderung, daß am Religionsunterricht in den Schulen unbedingt festgehalten werden müsse. Aus diesem Postulat spricht die Angst vor sozialen und politischen Umwälzun­ gen.61 Mit der ausdrücklichen Bezugnahme auf eine «religiöse Grundlage» versuchte die Volkspartei ihre Konformität mit der Weltanschauung des Volkes und des regierenden Fürstenhauses zu dokumentieren. Trotzdem blieben Angriffe von Seiten des L. V. und dessen Anhän­ ger, zu denen auch der liechtensteinische Klerus zu zählen war, nicht aus. Es wurde die Religiosität der Führer und Parteigänger der Volks- 69 Erstmals publiziert in: O. N. Nr. 3, 18. Januar 1919. 60 Siehe dazu L. V. Nr. 1, 4. Januar 1919 (Die Fortschrittliche BUrgerpartei und ihr Programm). el Im L. V. Nr. 12, 22. März 1918 (Nachklängen zu den Wahlen) beklagt sich ein Einsender über eine «Abart von zersetzendem Liberalismus», der in die «Stube der Gemeinde- und Landesbehörden» eingedrungen sei. Dieser Libera­ lismus untergrabe langsam die Autorität der weltlichen wie geistlichen Behör­ den. In den Regierungskreisen verfolgte man die weltpolitischen Umwälzungen mit Unbehagen. So schreibt etwa Landesverweser Prinz Karl von Liechtenstein am 5. Februar 1919 an den Landesfürsten: «Ich finde O. Louis Artikel Sozia­ lismus u. Bolschewik, sehr gut u. auch meinen Pessimismus rechtfertigend, nur daß ich nicht auf die Beschränkung auf Mitteleuropa glaube, nur durch eine Monarchie in Rußland könnte Rettung kommen . . .» (Schreiben des Prinzen Karl an den Landesfürsten, LRA). 76
	        

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