Volltext: Probleme des Kleinstaates gestern und heute

heit überging, war dies ein entscheidender kultureller Gewinn. Radi­ kale Veränderung gibt Bisheriges auf, verunsichert, macht labil und damit abhängig. Kahlschlag verödet und erzeugt den Flugsand. Ent­ wurzeltes schlägt auf kargem Boden nur schwer wieder Wurzeln. Nicht alles ist machbar. Vieles muß wachsen, Jahrhunderte oder wenigstens Jahrzehnte. Die gewalttätige, nicht evolutive Verände­ rung reißt den Menschen aus seiner gewohnten und bergenden Welt. Gerade unsere dynamisch-mobile Gesellschaft beispielsweise, von der oben (I. Teil, 1, e) die Rede war, besitzt eine immanente Neigung, in der Veränderung selbst schon einen Wert und Fortschritt zu sehen. Im Bereich einer allmählich auch bei uns rascher ändernden Gesetz­ gebung leiden mit der Zeit die Vertrautheit mit dem Recht und die Rechtssicherheit. Wenn z. B. ein Gesetz 50 Jahre alt ist, heißt dies noch nicht, daß es auch veraltet ist. Wenn Teile davon revisionsbe­ dürftig sind, muß nicht ein neues Gesetz erlassen werden, es ist oft besser, wenn nur einzelne Artikel angepaßt werden. Wenn wir glau­ ben, wir können unsere jahrhundertelang gewachsenen Dörfer in weniger als einer Generation fast total verändern, zerstören wir sie.118 Wir zerstören heute durch Abbruch von alten Häusern und durch Neubauten in kurzer Zeit mehr, als die großen Dorfbrände während der früheren Jahrhunderte es vermochten. Dies gilt ebenso von unse­ rer schönen, aber unvermehrbaren Landschaft. Dies ist keine Absage an das Neue. Es gibt immer wieder grund­ legende und einschneidende Neuerungen, die notwendig sind. Sonst tritt Erstarrung ein. Das Leben ist lebendig. Doch das Neue muß erdauert werden, muß reifen. Und es geht darum, daß Bewährtes nicht unnötig verlassen und Bestehendes und Aufgebautes nicht mut­ willig eingeäschert wird. Achtsamkeit auf die überkommenen Werte ist gerade bei unserem «Mangel an Stoff und Kraft» realitätsbezo- gener, kraftsparender und fortschrittlicher als mancher vermeintliche Neubeginn. Solche gesunde Festigkeit und solcher Mut zur Dauer verleihen eine gewisse Beständigkeit, Kontinuität und Verläßlichkeit119, verstärken das Gefühl des Beschütztseins und der Geborgenheit im Innern und das Zutrauen von außen. Ubermäßiges Ändern führt zur Entfrem­ 118 Vgl. Frick, Alexander, in LPS 3, 24; Hassler, Hermann, Besinnung und Be­ schränkung, in LPS 3, 38. 119 Zur außenpolitischen Bedeutung solcher Faktoren, Frei, Daniel, Strategien zum Umgang mit Abhängigkeit, Kleine Studien zur Politischen Wissenschaft Nr. 53, Universität Zürich 1975, 10 Ziff. 5. 204
	        

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