Volltext: Probleme des Kleinstaates gestern und heute

ge116 zur Folge. Vielleicht hilft die Rezession bei all ihren großen Nach­ teilen etwas auf dem Weg zurück zur soliden Selbstbeschränkung. «Wir müssen trachten, unser Glück uns selbst zu verdanken; der geht immer am sichersten, der sich auf seine Kraft verläßt. Auch ein kleines Völk­ lein, wenn es treu zusammenhält, vermag viel...» (Peter Kaiser).117 Da­ mit sollen keineswegs nostalgisch einfache Lebensverhältnisse beschwo­ ren werden, die bei uns in Wirklichkeit voll bitterer Not und Armut waren. Unser allgemein bejahter Wohlstand gibt uns heute andere Möglichkeiten der persönlichen Entfaltung. Es geht um die Zurück­ haltung vor Übertreibungen — dies im Interesse vermehrter Stabili­ tät und Sicherheit für alle Beschäftigten und den Staat. Maßhalten ist letztlich Realpolitik, sich an den Gegebenheiten orien­ tieren. Maßhalten heißt jedoch nicht, alles halb tun. Maßhalten hat nichts mit Mittelmäßigkeit gemein. Manches mag noch mehr unsere Aufmerksamkeit brauchen als bisher. Jedermann aber weiß, daß Selbstbeherrschung viel größerer Anstrengung bedarf als das Sich- gehen-lassen. Maß auch im Reglementieren. Reglemente sind zu bejahen, wo sie unbedingt nötig sind. Es gibt Staaten, die heute einen übertriebenen Gesetzesperfektionismus treiben — und die Freiheit auch der in der großen Zahl anständigen Bürger immer mehr einengen, — und die Bürokratie erweitern, denn jemand muß ja die Einhaltung der Ge­ setze überwachen. Der Kleinstaat kann hier ruhig — in beschränk­ tem Rahmen natürlich — freiere Wege gehen. b) 
Nicht zu viel ändern Es geht um das Maßhalten in bezug auf Veränderungen im zeitlichen Ablauf. Die Zeiten, da man jede Neuerung auch als Fortschritt be­ grüßte, gehen zu Ende. Wenn ein Schuh irgendwo drückt, muß nicht sogleich ein anderer angeschafft werden — der sicher auch wieder drückt. Man weiß heute, daß durch die stete Veränderung mehr aufgegeben als gewonnen wird. Der Mensch kommt nicht mehr mit. Als er vom Nomadentum zu Seßhaftigkeit und örtlicher Gebunden­ 119 Maßlosigkeit kann auch im internationalen Bereich zu großen Disparitäten und Rücksichtslosigkeiten führen. So bedeutet ein gesundes Maß nicht nur kluger Selbstschutz (vgl. Anm. 114), sondern auch Rücksichtnahme, gewissermaßen eine erste Stufe der Solidarität. 117 Brief aus der Frankfurter Nationalversammlung «An meine Landsleute», vom 25. 10. 1848, abgedruckt in JBL 5, 32 ff. 203
	        

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