Volltext: Probleme des Kleinstaates gestern und heute

hältnisse nicht tunlich, alle vier Jahre mit dem Wechsel des Regie­ rungschefs und mit den unruhigen Begleiterscheinungen dieses Wech­ sels rechnen zu müssen. Es würde unserem Lande nicht zum Vorteile gereichen, den starren Parlamentarismus der großen Staaten mit allen seinen Begleiterscheinungen nachzuahmen. Auch die Schweiz mit ihrer freien Verfassung tat das nicht... Um größere und andauernde Ubergriffe von Seiten des Regierungschefs zu verhindern, erachtet die Kommission den § 80 als vollauf genügend.»217 Dieser § 80, der unverändert als Artikel 80 in die Verfassung kam, regelte die Amts­ enthebung (Mißtrauensvotum). Im Sinne dieser Ausführungen ließ die Verfassungskommission die Beschränkung der Amtsdauer des Re­ gierungschefs ganz fallen und sah für ihn ein festes Gehalt vor.218 In dieser Form vermochte sich allerdings der von der Verfassungs­ kommission (Bürgerpartei-Mehrheit) abgeänderte § 79 Absatz 4 der Regierungsvorlage im Landtag nicht durchzusetzen. Die Amtsdauer wird schließlich auf sechs Jahre beschränkt.219 In Richtung einer Ab- schwächung des parlamentarischen Prinzips muß auch die von der Verfassungskommission vorgenommene Umbenennung des Wortes «Landammann» in «Regierungschef», die Einfügung eines Absatzes 3 in § 90 der Regierungsvorlage (Artikel 90 der Verfassung), der dem Regierungschef das Recht einräumt, den Vollzug von seiner Meinung nach rechtswidrigen Beschlüssen des Kollegiums vorläufig zu sistie- ren, gesehen werden.220 Auch die Landeszugehörigkeit des Regierungschefs wurde von der Verfassungskommission gestrichen. Der so geänderte § 79 Absatz 1 fand aber keine Aufnahme in der Verfassung.2201 217 Dieser Passus ist auch bei Nawiasky H., 21, zitiert. 218 Vgl. den Bericht über die Beschlüsse der Verfassungskommission, gefaßt in den Sitzungen vom 15. und 18. März 1921, LRA Verfassungsakt 1921/963. 219 Vgl. Artikel 79 Absatz 4 der Verfassung 1921. 220 So Nawiasky H., 22; er verweist noch zusätzlich auf einen später wieder fallengelassenen Zusatz hin, wonach ein Staatsangestellter, der das Amt eines Regierungsrates oder dessen Stellvertreters annimmt, für die Dauer dieser Funktion unter Einstellung seiner Bezüge beurlaubt werden sollte. 2üoa Artikel 79 Absatz 1 der Verfassung von 1921 (§ 79 Absatz 1 der Regie­ rungsvorlage) hat nachstehenden Wortlaut: «Die Regierung besteht aus dem Regierungschef und zwei Regierungsräten und ebenso vielen Stellvertretern für den Verhinderungsfall. Der Regierungschef und sein Stellvertreter werden vom Landesfürsten einvernehmlich mit dem Landtage über dessen Vorschlag aus der wahlfähigen Bevölkerung des Fürstentums ernannt. Beide müssen gebürtige Liechtensteiner sein. Eine Abweichung bezüglich des Regierungschefs ist nur zulässig, wenn der Landtag sich mit dreiviertel Stimmenmehrheit dafür ent­ scheidet.» Eine solche Bestimmung war 1919 für die O. N. noch unannehmbar. Vgl. O. N. Nr. 2, 11. Januar 1919 (Zum Programm der sog. fortschrittlichen Bürgerpartei). 113
	        

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