Volltext: Probleme des Kleinstaates gestern und heute

Wer Leben und das Lebewesen kennt, der weiß um das Wachstum, der versteht dies zu fördern und zu schützen, der garantiert, nun auf das Gemeinschaftliche bezogen, als Vater oder als ihr Führer — wo­ bei der Ausdruck Häuptling oder Kopf, dem ja auch das Wort Chef entspricht, immer wieder Verwendung findet — das Leben seiner Gruppe, ihr Wachsen und Entfalten. Insofern ist so ein Haupt der Gruppe übrigens unersetzlich und daher unantastbar, geschützt. Seine Größe wird bewundert, umsomehr es umfassend imstande ist, der Ge­ meinschaft Leben und Wachstum im Frieden, d. h. ungestörte Ent­ wicklung zu sichern. Dies ist eine zwar primitive und uralte, aber auch grundlegende Erfahrung der Menschheit und aller Völker. Von ihr führt eine gerade Linie zur Idee der geheiligten Person des Königs als dem «Mehrer des Reiches». Wir finden solche Vorstellungen mythisch verklärt in Ausdrücken wie «Sohn des Himmels», «Sohn der Sonne» oder im Bild des Pharao, der von einem Gott bevollmäch­ tigter Träger der Lebensrune wird, ebenso in der römischen Idee des Gott-Kaisers oder der Vorstellung vom Zaren als dem «Väterchen». Der verklärende Mythos drückt ein reales Verhältnis aus. Unklar und zweideutig wie das Märchen enthält er einen treffenden Kern, freilich oft auch in einer absurden, abergläubischen, im Tabu festge­ haltenen Form. Es hat aber keinen Sinn, den Kern des Mythos zu leugnen. Man kommt auf diese Weise nur zu Kompensationsmythen und zu ebensolchen Absurditäten, wie die Schönheitskönigin und den Filmprinzen. Die Menschheit hat Jahrtausende um das Bild des Herr­ schers gerungen und tut es auch heute noch. In den gleichen Zusam­ menhang gehört aber auch das Bild des Vaters, wie es in der Tiefen­ psychologie, vor allem von Freud, herausgearbeitet wurde: Der Vater und der Vater-Gott als Tyrann, ja als lebensbedrohender Gegenpol zur Existenz der Söhne.2 Größe des Lebenserhalters, Schrecken des Lebensvernichters, das geht als primitive Erfahrung Hand in Hand. Griechenland und vor allem die griechische Philosophie ist geistes­ geschichtlich gesehen ein Erwachen der Menschheit aus diesem alt­ testamentarischen Traum mit seiner Schönheit und seinem Schrecken. Aber bevor wir hierzu kommen, möchte ich vor einer Schwierigkeit warnen, die uns die Begegnung mit der griechischen Gedankenwelt oft verstellt. Das klassische Griechenland ist uns oft nur zu nah und 1 Hierzu Freud, S.: Unbehagen in der Kultur Freud, S.: Zukunft einer Illusion 11
	        

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