EI. Die innerstaatliche Zuständigkeitsordnung zur Pflege der völkerrechtlichen Beziehungen Die völkerrechtlichen Beziehungen zwischen einem zentralistisch organisierten Staat und einem Bundesstaat können in formeller Hin sicht grundsätzlich mehrschichtig gestaltet werden, insbesondere dann, wenn die betreffenden Staaten Nachbarn sind. Je nach der Zuteilung von Befugnissen bei der Besorgung der auswärtigen An gelegenheiten an die Gliedstaaten eines Bundesstaates und je nach dem Grad der Bereitwilligkeit des Drittstaates, mit den Gliedstaaten direkt zu verkehren, werden sich die Beziehungen auf den verschie denen Ebenen unterschiedlich stark entwickeln. Daher ist die schwei zerische und die liechtensteinische Struktur der Zuständigkeit für den zwischenstaatlichen Verkehr zu skizzieren. 1. Nach schweizerischem Recht A. Materielle Vertragskompetenzen Dem Bunde steht grundsätzlich die Befugnis zu, mit anderen Staaten Vereinbarungen zu treffen.253 Gegenüber Drittstaaten vertritt dem nach die Zentralgewalt gesamthaft den schweizerischen Staat, ob- schon sie nur einen Teil der Staatsgewalt — je länger je mehr aller dings den wesentlicheren — verkörpert. Das nach außen einheitliche Auftreten des Bundesstaates254 erscheint denn auch als unabdingbare Voraussetzung für seine Vertragswürdigkeit. Die Frage ist aber, ob der Bund auch auf Sachgebieten, welche im Kompetenzbereich der Kantone liegen, Verträge mit andern Staaten abzuschließen befugt sei. Praxis und herrschende Lehre sprechen sich gestützt auf den Wortlaut der Bundesverfassung für die zentralistische Auffassung aus, wonach der Bund grundsätzlich jeden völkerrechtlichen Vertrag zwar unter Vorbehalt der Individualrechte und der übrigen mate riellen Verfassungsvorschriften aber ohne Rücksicht auf die Iandes- 253 Art. 8 BV, dessen Wortlaut allerdings neben Kriegserklärungen, Friedens schlüssen und «Bündnissen» (über die Bedeutung des letzteren Begriffs vgl. Dieter J. Niedermann, Ist das schweizerische Statut dauernder Neutralität in der Bundesverfassung verankert?, Maschinenschrift, St. Gallen 1967, 25 ff.) nur «Staatsverträge» vorsieht. Dieser Begriff ist aber weit zu interpretieren, indem auch andere völkerrechtliche Vereinbarungen hinzuzurechnen sind; Aubert I 256, N 673. 854 Fleiner/Giacometti 815. 77