Volltext: Liechtenstein und die Schweiz

«Bevölkerung» versteht. Danach gehören zum Staatsvolk neben den Staatsangehörigen auch alle jene Menschen, welche dauernd oder vorübergehend der territorialen Hoheitsgewalt des Staates unter­ stehen.37 Diese Auffassung läßt sich einerseits damit stützen, daß die Ausländer gleich wie die Inländer der Staatsgewalt unterworfen sind, und daß sie anderseits entsprechend dem modernen Völkerrecht auch dem fremden Staat nicht in erster Linie nur als Nicht-Staatsange­ hörige gegenübertreten, sondern als Individuen, als Menschen mit subjektiven öffentlichen Rechten, vornehmlich Menschenrechten.38 Diese Tatsache führt an den Anfang der Überlegung über das Volk als wesentliches Element des Staates zurück: nämlich zur Einsicht, daß dem Staatsvolk im Verhältnis zum Staat eine subjektive wie auch eine objektive Qualität zukommt. So besehen widersprechen sich die beiden Auffassungen nicht; sie unterscheiden sich zur Haupt­ sache in der Wertung. Zutreffend dürfte jene differenzierte Mittel­ stellung sein, wie sie schon Jellinek eingenommen hat39: Zum Staats­ volk im subjektiven Sinne gehören zunächst die Staatsangehörigen, weil sie in umfassender Beziehung zum Staate stehen, und weil sie außerdem die Identität des Staates maßgeblich prägen. Dazu zählen aber auch — wenngleich in beschränktem Umfang — alle der Staats­ gewalt Unterworfenen, weil sie als Menschen mit subjektiven Rech­ ten dem Staat gegenübertreten. Einige dieser Rechte kann der Staat nicht verleihen, sondern lediglich anerkennen. Immerhin ist der Auf­ fassung, daß «Bevölkerung» dem Begriff des Staatsvolkes gleichzu­ setzen sei, entgegenzuhalten, daß dieser letztere Begriff weiter zu fassen ist, indem auch jene Staatsbürger zum Staatsvolk zu zählen sind, die sich dauernd im Ausland aufhalten, also nicht der Bevölke- 87 Z. B. Cavar^, I 276 ff., der im übrigen an der Unterscheidung zwischen einem «National» und einem «Citoyen» festhält, indem letzterer Begriff enger sei als der erstere. Der «Citoyen» verfüge über die besonders enge rechtliche und politische Bindung an den Heimatstaat hinaus über politische Rechte. Diese Unterscheidung war in der Antike für das damalige Staatsverständnis not­ wendig, erscheint aber heute nicht mehr zweckmäßig. Sie beinhaltet anderseits auch keinen sachlichen Gegensatz zur Begriffsverwendung, wie sie in Anm. 36 umschrieben wurde. 88 Die Tatsache, daß viele Staaten die Menschenrechte in der Praxis eher gering achten, ändert in systematischer Hinsicht nichts. Vielmehr finden sich auch in den Verfassungen totalitärer Staaten formelle Anerkennungen der Menschen­ rechte (z. B. Art. 118—129 der Verfassung der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken vom 5. Dezember 1936; Art. 11, 17, 19—40 der Verfassung der Deutschen Demokratischen Republik vom 6. April 1968). Daß die staat­ liche Achtung der Menschenrechte als Normalzustand auch in Militärdiktatu­ ren rechtsextremer Prägung betrachtet wird, geht aus der zeitweiligen Verhän­ gung eines «Ausnahme»zustandes im Sinne der Suspendierung verfassungs­ mäßiger Rechte hervor (so in Griechenland die Art. 1 und 3—20 der Ver­ fassung vom 1. Januar 1952 bis zu deren Ersetzung durch die Verfassung vom 29. September 1968). 8# 406 ff., vor allem 409. 23
	        

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