Volltext: Das Fürstentum Liechtenstein und die Europäische Gemeinschaft

kommt man zu einer andern Folgerung. Im Falle einer Trennung Liechtensteins von der EG besteht eine große Divergenz zwischen Abhängigkeit und Einfluß. Daraus würde, wie andernorts dargelegt wurde100, eine Beeinträchtigung der liechtensteinischen Entscheidungs­ kapazität resultieren. Auf der Stufe des Gemeinsamen Marktes hätten in erster Linie die Träger der Exekutivkompetenzen, das heißt das administrative und das monarchische Element die nega­ tiven Konsequenzen zu tragen. Sie begäben sich durch die Trennung weitgehend der Möglichkeit, Entscheide zu beeinflussen, die auch das Schicksal Liechtensteins beeinträchtigen. Die Rechte von Volk, Land­ tag und Justiz blieben formell intakt. Trotzdem darf wohl kaum argumentiert werden, durch eine Trennungspolitik ergäbe sich weder ein direkt-demokratischer noch ein repräsentativ-demokratischer Sub­ stanzverlust. Entscheidend scheint die Tatsache zu sein, daß durch eine dissoziative Strategie dem liechtensteinischen Volk bzw. jenen Gruppen und Verbänden, die es ausmachen und vertreten, in zuneh­ mendem Maße die Möglichkeit entzogen wird, ihre Werte und Inter­ essen im europäischen Entscheidungsprozeß zu artikulieren und zur Geltung zu bringen. Volk und Regierung würden dadurch zur poli­ tischen Apathie verurteilt, was nach Key107 gleichbedeutend ist mit der Vernachlässigung ihrer Interessen im politischen Prozeß. Dem formellen Schutz der innerstaatlichen Strukturen steht im Falle der Trennung ihre materielle Aushöhlung gegenüber. Was nützen jedoch demokratische Volksrechte, wenn wesentliche Entscheide im Ausland gefaßt werden, ohne daß Liechtenstein daran partizipieren kann? Im Falle einer liechtensteinischen Annäherung an die EG bleibt die Grundproblematik dieselbe wie bei einer Trennung. Aus einer allfäl­ ligen Diskrepanz zwischen Abhängigkeit und Einfluß resultiert eine Beeinträchtigung der Entscheidungskapazität Liechtensteins, was sich mittelbar und unmittelbar auf die Einwirkungsmöglichkeiten der verschiedenen nationalen Entscheidungsträger auf den relevanten Willensbildungs- und Entscheidungsprozeß auswirkt. Je nach Ver­ bindungsform ist diese Diskrepanz jedoch größer oder kleiner und trifft die verschiedenen Entscheidungsträger in unterschiedlichem Maße. Die Schaffung einer Freihandelszone oder einer Zollunion geht nicht über die normale Vertragsschließungskompetenz des administrativen und monarchischen Elementes hinaus. Zur Ratifikation ist die Zu- 106 vgl. 411.2. 107 Vgl. Key O. K., Southern Politics, New York 1964, S. 338. 174
	        

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