Volltext: Das Fürstentum Liechtenstein und die Europäische Gemeinschaft

vertreten würde, die liechtensteinische De-jure-Unabhängigkeit werde durch einen Beitritt des Fürstentums zur Europäischen Gemeinschaft auf gleichberechtigter Basis mit den andern EG-Staaten zum gegen­ wärtigen Zeitpunkt nicht beeinträchtigt. Im Zuge der Weiterentwick­ lung der Gemeinschaft wäre eine Unabhängigkeitseinbuße des Für­ stentums erst dann denkbar, wenn sich das «Schwergewicht der poli­ tischen Entscheidungsgewalt»19 auf die Gemeinschaft verlagern würde und die Mitgliedstaaten ihre Kompetenz-Kompetenz verlören. 411.2 
Beeinträchtigung der De-facto-Unabhängigkeit Die bisherige Argumentation, die sich in erster Linie auf das Völker­ recht stützt, befriedigt nicht ganz. Sie beruht zu stark auf der her­ kömmlichen Souveränitätsdoktrin, die, wie Deutsch20 feststellte, von der «assumption of concentrated sovereignty» ausgeht, welche durch zwei Faktoren gekennzeichnet ist: 1. Durch das Nichtvorhandensein von dominierenden äußern Ein­ flüssen. 2. Durch das Fehlen autonomer Subsysteme. Die erste der beiden Voraussetzungen trifft für-Liechtenstein nicht zu. Beschlüsse, die im Ausland getroffen werden, namentlich in der Schweiz und in der EG, beeinflussen in sehr starkem Maße das Für­ stentum. Das Festhalten am formaljuristischen Souveränitätsbegriff hätte zur Folge, daß die Untersuchung auf die «structure d'inter- d£pendance hierarchis^e»21 konzentriert und der «structure d'inter- d^pendance horizontale»22 zuwenig Beachtung beigemessen würde. Dadurch entgingen uns zwei Grundphänomene der europäischen Integration, nämlich: die Dezentralisierung des Entscheidungsvor­ ganges und das «pooling of sovereignties»23, die «fusion de droits de souverainet^»24, das heißt das Zusammenlegen gewisser Kompetenzen. Die Betrachtungen über die Auswirkungen der europäischen Integra­ tion auf die liechtensteinische Unabhängigkeit sollen deshalb nicht auf den Bereich des Gemeinschaftsrechts beschränkt bleiben, viel­ 19 Bindschedler, Betrachtungen über die Souveränität (Anm. 14), S. 174. 20 Deutsch K. W., The concentration of decisions: Sovereignty and vulnerability in political systems, in: Stankiewicz W. Z. (Hsg.), In Defense of Sovereignty, S. 109. 21 Vgl. Pochon C., Le Processus de satellisation des Etats dans la Soci£t£ inter­ nationale, Diss. Fribourg 1971, S. 117. 22 ebenda S. 100. 23 Vgl. Petersmann H. G., Die Souveränität des Britischen Parlaments in der Europäischen Gemeinschaft, Baden-Baden 1972, S. 321. 24 Vgl. Lindeiner (Anm. 6), S. 149. 150
	        

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.