Volltext: Das Fürstentum Liechtenstein und die Europäische Gemeinschaft

Unabhängigkeit der Mitgliedstaaten feststellt, da diese «for all time» kein Recht mehr hätten, gewisse Verträge zu schließen.8 Den gleichen Standpunkt vertritt auch Ophüls, der aufgrund der Tatsache, daß teilweise schon die Gemeinschaftsverträge, besonders jedoch das sekundäre Gemeinschaftsrecht unmittelbar für den einzelnen Staat und die staatlichen Rechtsanwendungsorgane wirksam sind9, zum Schluß gelangt, daß die Mitgliedstaaten mit Gründung der EWG ihre Gesetzgebungskompetenz hinsichtlich der im EWG-Vertrag ge­ regelten Bereiche 
endgültig an. die Gemeinschaft abgetreten hätten.10 Eine ähnliche Haltung vertritt u. a. Steiger.11 In Anlehnung an Cata- lano12 folgert er: «Die Mitgliedstaaten haben eine neue Gesamtrechts­ einheit geschaffen. Dem einzelnen Staat kann darüber keine Ver­ fügungsmacht zukommen. Erzwingt er seinen Austritt, so ist das ein revolutionärer Akt.» Aus diesen Gründen sei weder ein Kündigungs- noch ein Rücktrittsrecht gegeben. Die Vertreter dieser Richtung würden also den Standpunkt einneh­ men, daß Liechtenstein durch einen Beitritt zur Europäischen Ge­ meinschaft teilweise seine De-jure-Unabhängigkeit verlöre. Doch handelt es sich dabei um das Urteil einer Minderheit. Zwar anerken­ nen die meisten Autoren, daß durch die Gründung der EG die Mit­ gliedstaaten «ein Stück ihrer Souveränität»13 an die Gemeinschaft abgegeben haben, doch resultiert nach ihrer Auffassung aus dieser Übertragung von Kompetenzen durch völkerrechtliche Verträge noch keine grundsätzliche Neuverteilung der sozialen Macht, trotz Mehrheitsprinzip entstehe kein neues politisches Zentrum, das zur Vorzugsstellung der souveränen Staaten in ernsthafter Konkurrenz stände.14 Vielmehr behielten die Mitgliedstaaten nicht nur ihre aus­ 8 Kelsen H., Principles of International Law, 3. Aufl., New York 1959, S. 356. 8 Vgl. Ophüls C. F., Zwischen Völkerrecht und staatlichem Recht, Grundfragen des europäischen Rechts, in: Juristisches Jahrbuch, Bd. 4 (1963/64), S. 157. 10 Ophüls C. F., zitiert nach Seidl-Hohenveldern J., Das Recht der internationa­ len Organisationen, einschließlich der supranationalen Gemeinschaften, Köln/ Berlin/Bonn/München 1967, S. 217. 11 Steiger H., Staatlichkeit und Überstaatlichkeit, eine Untersuchung zur recht­ lichen und politischen Stellung der Europäischen Gemeinschaften, Berlin 1966, besonders S. 133 ff. 12 Vgl. Catalano N., Manuel de Droit des Communaut£s Europeennes, Paris 1963, S. 99. 13 Vgl. u. a. Hagemann M., Staatliche Souveränität und internationale Ordnung, in: SJIR, Bd. XVI (1959), S. 67. Analog stellt Guggenheim fest: «Toutefois, en crüant la CEE, les Etats membres ont renonce — dans une certaine mesure — ä l'autonomie de leur politique ^conomique.» Guggenheim P., Organisations £conomiques supranationales, Ind£pendance et Neutralit£ de la Suisse, in: Refe­ rate und Mitteilungen des Schweizerischen Juristenvereins, Heft 3 (1963), S. 225. 14 Hagemann, Staatliche Souveränität (Anm. 13), S. 61 f. Ähnlich Bindschedler, Betrachtungen über die Souveränität, in: Festschrift Guggenheim, Genf 1968, S. 176 f. 148
	        

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