Volltext: Das Fürstentum Liechtenstein und die Europäische Gemeinschaft

Sequenzen verbunden sind, sondern in gewissen Regionen das demo­ graphische Anfremdungsoptimum überschritten wird, was zu Frem­ denfeindlichkeit führt, währenddem andere Gebiete große Teile ihrer aktiven Bevölkerung verlieren. Entscheidend für Liechtenstein ist die Frage, ob durch die Schaffung eines einheitlichen westeuropäischen Arbeitsmarktes automatisch grö­ ßere transnationale Wanderbewegungen ausgelöst werden, die geeig­ net sind, die demographische Situation im Fürstentum weiter zu ver­ schärfen. Ausschlaggebend für größere Wanderbewegungen sind wirt­ schaftliche Erwägungen. Wanderarbeiter streben in den meisten Fäl­ len eine Verbesserung ihrer wirtschaftlichen Lage an. Ist einmal ein Ausgleich des Lebensstandards in Europa erreicht, so kann trotz Frei­ zügigkeit nicht mehr mit großen Bevölkerungsverschiebungen gerech­ net werden. Wohlstandsgefälle und Freizügigkeit allein induzieren jedoch noch keine Wanderbewegung. Dies ist erst dann der Fall, wenn das Angebot der zur Emigration bereiten Arbeitskräfte sich nicht nur quantitativ, sondern auch qualitativ mit der Nachfrage deckt. Trotz bedeutender Lohndivergenzen und Freizügigkeit werden größere Reaktionen so lange ausbleiben, wie die Nachfrage gering ist und sich zudem Angebots- und Nachfragestrukturen qualitativ unter­ scheiden. Sind obige Voraussetzungen erfüllt, so stellt sich die Frage, welche Gebiete Wanderarbeiter präferenzieren. Man neigt zur Annahme, daß die größte Einwanderungspräferenz für jene Regionen besteht, die das höchste Lohnniveau aufweisen. Dieser rein ökonomische Er­ klärungsversuch erfaßt jedoch nur einen Aspekt. Wanderarbeiter streben zwar einerseits eine Verbesserung ihrer wirtschaftlichen Situa­ tion an; sie empfinden anderseits jedoch eine gewisse Furcht vor der neuen Welt.87 Dieser emotionale Faktor bewirkt, daß Gastarbeiter Gebiete bevorzugen, in denen sich bereits eine größere Zahl von Ein­ wanderern aus ihren oder einer verwandten Region befinden. Es be­ steht somit zugunsten von Ländern mit bereits hohen Einwanderungs­ beständen eine Präferenz. Der Ausländerbestand in solchen Regionen nähert sich dadurch rasch dem subjektiven Anfremdungsoptimum. Wird dieses überschritten, das heißt, wird Anfremdung zu Überfrem­ dung, so ist damit zu rechnen, daß jeder neuen Einwanderung größte Widerstände von der Bevölkerung entgegengesetzt werden. Es ist somit unzutreffend, wenn behauptet wird, die europäische Frei­ zügigkeit könnte riesige Wanderbewegungen auslösen. Solange ein 87 Vgl. Jucker W., Arbeitsmarkt und Integration, in: Die Schweiz und die euro­ päische Integration (Anm. 22), S. 139. 142
	        

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