Volltext: Beiträge zum liechtensteinischen Selbstverständnis

wie eine Kantonsgrenze überschreiten oder schweizerische Polizisten ins liechtensteinische Landesinnere hinein Straßenrowdies verfolgen. Die Souveränität Liechtensteins ist für mich so unantastbar wie die Souveränität der Schweiz, und ich bin gekränkt, wenn durch die Mißachtung seiner Staatshoheit Liechtenstein beleidigt wird. Daß solche Kränkungen durch die Schweiz und die Schweizer nicht mut­ willig oder gar böswillig, sondern bloß fahrlässig verübt werden, macht sie in meinen Augen nicht besser. Ich finde im Gegenteil, es offenbare sich darin eine Gleichgültigkeit, ein Nichternstnehmen oder gar eine Geringschätzung gegenüber dem kleinen Nachbarstaat, die dieser nur als verletzend empfinden kann. Oder ich rege mich auf, wenn das wiederholte Nein der Liechten­ steiner zum Frauenstimmrecht von Ausländern — und Ausländer sind für Liechtenstein auch wir Schweizer, wie leicht und gern wir das auch vergessen mögen — verächtlich als hinterwäldlerische Rück­ ständigkeit abgetan wird. Da versuche ich sogleich, zu erklären, daß dieses Nein aus anderen noch ungelösten Grundsatzproblemen der liechtensteinischen Innenpolitik erwachsen ist, die zuvor gelöst wer­ den müssen, soll das Frauenstimmrecht in diesem Lande sinnvoll aus­ geübt werden können, und an deren Lösung man arbeitet. Wenn aber gar der kleine Lebensraum dieses Landes, dessen Umwelt sozusagen nur aus Landesgrenzen besteht, durch umweltbelastende Vorhaben der Nachbarstaaten bedroht erscheint, dann schlägt über alle Einsicht in die wirtschaftliche Wünschbarkeit solcher Vorhaben für das eigene Land hinaus mein Herz mit den Liechtensteinern. Ich erkenne, daß ihre Besorgnis gegenüber solchen Vorhaben echt ist, weil eine Umweltschädigung durch deren Betriebsauswirkungen, sollte sie eintreten, das kleine Land tatsächlich am Lebensnerv treffen würde. Ich wehre mich dann für das liechtensteinische Anliegen und mache aus meiner wirtschaftlichen Vernunft eine Mördergrube. Und eines Tages stehe ich in einer Versammlung, die Schweizer und Liechtensteiner im Zeichen der Freundschaft zusammengeführt hat, vor die verdutzten Schweizer hin und appelliere eindringlich an ihr Einfühlungsvermögen, um ihnen die echte Angst der Liechtensteiner vor solcher Bedrohung ihres Lebensraumes begreiflich zu machen und sie zu bewegen, dieser Angst Rechnung zu tragen. Unvermittelt sehe ich mich für ein liechtensteinisches Lebensrecht auf den Barrikaden, und mein Appell, von den meisten Schweizern im Saal geflissentlich mißverstanden, klingt in den Ohren der Liechtensteiner wie der Zu­ ruf Kennedy's an die Berliner: «Ich bin ein Liechtensteiner!» Unausgesprochen, steht dieser Zuruf doch unüberhörbar im Raum. Der Schweizer Vorsitzende der freundschaftlich versammelten 
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