Volltext: Beiträge zum liechtensteinischen Selbstverständnis

teien haben sich nie als das verstanden), fehlt auch der Mut, vielleicht auch ein Quentchen Humor, sich auf irgendeine Art zu äußern, für die man vielleicht angegriffen oder ausgelacht wird. Die Politik ist für sie Sache der guten Redner. Mitverantwortung am Staat ist oft der Parteitreue untergeordnet, sogar die eigene Meinung. Die Gründe solcher Fehlentwicklungen liegen natürlich in Parteienstruktur und Parteienpolitik selbst. Zu den Parteien: Vor vielen hundert Jahren stellte ein griechischer Staatsmann fest: «Die Männer, die die schönsten Reden halten, tun oft die schänd­ lichsten Dinge.» Für das unterentwickelte politische Klima, das in unserem Lande herrscht, kann man nachweislich die beiden Parteien mit samt ihren Presseorganen verantwortlich machen. Jeder Wahl­ kampf, der mir in Erinnerung ist, artete in persönliche Streitereien aus. Nur phantasielose, unbeholfene Typen argumentieren auf per­ sönlicher Ebene. Diese Methode bringt zwar ein paar Bewunderer für den Moment, aber wenig Substanz zur Sache. Zudem verfälscht sie — und das ist das Schlimme — im Zuhörer das Verhältnis zu einer gesunden Kritik. Die Kritik am Staat, Institutionen und Par­ teien erschöpft sich leider im Persönlichen. Die Folge davon ist ein problematisches Verhältnis zur Kritik überhaupt. Die politische Dis­ kussion wird unmöglich. Meinungsverschiedenheiten werden als per­ sönliche Beleidigungen aufgefaßt. Hierher gehören wohl die engher­ zigen Auszüge der jeweiligen Opposition aus den Landtagssitzungen. Ist diese Politik nicht Hauptbeschäftigung der Presse geworden? Zerbrechen Diskussionsrunden nicht an diesem Leiden? Andererseits wissen wir aber, daß Kritik und Reflexion als spezifisch­ menschliches Verhalten für die Existenz des Einzelnen sowie jeder Gemeinschaft bis hinauf zum Staat absolut notwendig sind. Infrage­ stellung von persönlichem Denken und Urteilen, Verhalten und Tun sind Voraussetzungen für schöpferisches Handeln, Intuition und Phantasie. In Staaten, wo Kritikern und Phantasten die «Zähne ge­ brochen» werden, muß zwingend Unfruchtbarkeit, Gewohnheit, Langeweile, Geistlosigkeit und Intoleranz Einkehr halten. Wenn ich die Politiker Liechtensteins, soweit ich sie seit meiner Kind­ heit in Erinnerung habe, mit einem einzigen Wort beschreiben müßte, dann würde ich das Wort Spiegelsaalpolitiker vorschlagen. Darunter würde ich einen kleinen Haufen von Männern verstehen, die sich in einem Spiegelsaal befinden, sich unzählige Male in den Spiegeln wie­ derfinden und daraus schließen würden, sie hätten das Volk vor sich. Sie würden miteinander reden und würden ihr eigenes Echo hören und meinen, sie hätten die Stimme des Volkes gehört; sie würden zu 46
	        

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