Volltext: Beiträge zum liechtensteinischen Selbstverständnis

bildlicht im Sieg Davids gegen Goliath. Dieser Sieg zeigt aber auch, daß der Kleinere eine List braucht, um gegen den Größeren bestehen zu können. Eine solche List der Schweiz ist die Neutralität, die es mit keinem verderben will, oder das Bankgeheimnis, eine liechten­ steinische List ist etwa die Begünstigung von Sitzunternehmen und Holdinggesellschaften (die Milliarde hat damit zu tun). Wenn aber der Kleine gegen den Großen gewinnen kann, ist er auch stärker als der Große. In der Natur gehören die kleinsten Einheiten, Atome oder Bakterien beispielsweise, zu den wirksamsten, oder um beim Staatsgedanken zu bleiben: Der flächenmäßig kleinste Staat der Welt, der Vatikanstaat, stellt nach wie vor eine der stärksten Mächte Europas dar. Liechtenstein bedeutet mir also auch der sympathische Kleine und der heimlichfeiße Kleine zugleich. 4. Es ist bekannt, daß kleine Leute häufig eine Spur zu gut ange­ zogen sind. Liechtenstein hat sich auch ein Gewand umgeworfen, das eigentlich für seine Größe etwas zu aufwendig ist, nämlich das einer Monar­ chie. Dieses Gewand trägt es mit großer Überzeugung. Ich habe bis jetzt keinen Liechtensteiner getroffen, der gegen die Monarchie wäre und kann mir auch kaum eine antimonarchistische Partei vorstellen. Für den Fürsten, muß man sagen, war die Existenz dieses Stücklein Bodens, das ein Vorfahre im 18. Jahrhundert gekauft hatte, ohne sich viel darum zu kümmern, ein Glücksfall. Er konnte sich vom ver­ sinkenden Schiff des Feudalismus auf sein zufällig noch intakt ge­ bliebenes Untertanenfestland retten — für den Ausländer hat es etwas Erstaunliches, daß der heute regierende Fürst tatsächlich der erste ist, der überhaupt in seinem Land wohnt. Gleichzeitig fehlt diesem Land aber einiges, was sonst zum Existenz­ minimum eines Staates gehört, z. B. die Armee und die diplomati­ schen Vertretungen im Ausland. Es wäre auch von der Bevölkerungs­ zahl her nicht imstande, solche Institutionen aufrechtzuerhalten (eine einzige Botschaft steht in Bern — das letzte liechtensteinische Armee­ kontingent, das vor etwa hundert Jahren im Dienst war, zählte 80 Mann). Eine liechtensteinische Währung gibt es nicht, die Zoll­ fragen regelt die Schweiz, den Postverkehr ebenfalls; wirtschaftlich mußte Liechtenstein wohl oder übel den schweizerischen Zickzack­ lauf zwischen EFTA und EWG mitmachen und muß sich heute sogar eine eigene Radio- und Fernsehstation verbieten lassen, weil es sonst mit dem schweizerischen Gesetz in Konflikt käme. Liechtenstein 41
	        

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