Volltext: Beiträge zur liechtensteinischen Staatspolitik

innen anerkannt werden. Es wird allerdings aus verschiedenen Grün­ den nicht möglich sein, diese Gesinnung von allen Angehörigen des Staatsvolkes zu verlangen, aber sie muß wenigstens bei der «tonange­ benden Schicht» (Nawiasky) zum Ausdruck kommen und von dort weitergetragen werden. Die größten Schwierigkeiten wird das Staats­ bewußtsein wie die meisten Staatskriterien dann bereiten, wenn es quantitativ festgestellt werden sollte. Hat Liechtenstein, hat die Schweiz, hat irgendein Land ein Staatsbewußtsein aufzuweisen? Woran soll man das Staatsbewußtsein messen? Sicher ist, daß man nicht feststellen kann, welcher Prozentsatz der Gesamtbevölkerung staatsbewußt ist oder nicht. Dies schon deshalb nicht, weil das Ver­ hältnis des Individuums zum Staat eine sehr subjektive Angelegenheit ist, und nicht einfach alle positiven bzw. negativen Einstellungen auf­ addiert werden können. Dennoch gibt es Indikatoren eines relativen Intensitätsgrades des Staatsbewußtseins, wie beispielsweise Meinungs­ äußerungen in den Massenmedien, die politische Struktur oder das äußere Verhältnis der Bevölkerung zur Staatsautorität. Es ist nicht verwunderlich, wenn in großen Ländern das Staats­ bewußtsein in der Regel stärker ausgeprägt ist als in kleinen. Der Nationalstolz, als eines der Elemente des Staatsbewußtseins, kann im Großen, Gigantischen, Bombastischen naturgemäß stärkere Wurzeln schlagen als in kleinen, unscheinbaren Verhältnissen. Der Kleinstaat hat schon deshalb mehr Schwierigkeiten zu überwinden, sich im Ver­ gleich mit Größeren zu behaupten und daraus ein Selbst- und Staats­ bewußtsein zu entwickeln. Darüberhinaus ist recht eigentlich erst dann der Beweis der Existenz eines Staatsbewußtseins erbracht, wenn es gilt, unter Einsatz aller ver­ fügbaren Kräfte die staatliche Weiterexistenz gegen einen äußeren oder inneren Druck zu verteidigen. In diese Lage sind weder Liech­ tenstein noch die Schweiz letztlich geraten, weshalb die Frage nach dem Vorhandensein eines Staatsbewußtseins ohnehin nicht abschlie­ ßend beantwortet werden kann. Wenn ich mich so lange bei der Beurteilung der Staatskriterien auf­ gehalten habe, so hat das seinen Grund. Es lag mir daran, mit dieser — vielleicht etwas kritischen — Darstellung den Versuch einer Stär­ kung des theoretischen Unterbaus zu wagen, der jener Auffassung entgegengestellt werden könnte, wonach die kleineren Staatswesen eine mindere Gattung seien, deren Existenzberechtigung den größeren zuerst nachgewiesen werden, der ihren in jedem Fall aber nachgeord­ net sein müsse. Diese Meinung ist ganz entschieden zu bekämpfen, denn der Staat, der ja schließlich keinen Selbstzweck verfolgen soll, ist in allererster Linie für das ihn tragende Staatsvolk geschaffen 85
	        

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