Volltext: Beiträge zur liechtensteinischen Staatspolitik

Schwierige Vaterländer — Aspekte der liechtensteinisch-deutschen Beziehungen in Vergangenheit und Gegenwart Clemens Amelunxen Gestatten Sie mir zu Anfang ein persönliches Wort. Vor mehr als zehn Jahren übernahm ich den Auftrag eines deutschen Verlages, das Rechtswesen der europäischen Zwergstaaten vergleichend zu erfor­ schen und darüber ein Buch zu schreiben. Ich begann meine Er­ kundungsreisen mit dem Fürstentum Liechtenstein — weil ich der Meinung war, daß räumliche Nähe und gemeinsame Sprache auch zuverlässigste Information verbürgten; weil ich annahm, daß die deutsche Geschichte den besten Anknüpfungspunkt für die Beurtei­ lung heutiger Verhältnisse in Liechtenstein böte; weil ich darauf ver­ traute, daß die juristische Struktur eines Zwergstaates hier am leichtesten greifbar und dann auch auf andere politische Einheiten gleicher Größenordnung übertragbar wäre; weil ich — kurz gesagt — das Versprechen der Landeshymne wörtlich nahm: «Von grünen Felsenhöh'n lieblich ist es zu seh'n mit 
einem Blick». Wie sehr, meine Damen und Herren, hatte ich mich getäuscht! Ich war einem Irrtum erlegen, der so vielen meiner Landsleute den Zugang zur liechtensteinischen Wirklichkeit paradoxerweise deshalb versperrt, weil sie diesen Zugang für einfach und selbstverständlich halten. Davon wird noch zu sprechen sein. Zuvor wird ein Blick in die Geschichte lehren, daß das Wesen des liechtensteinischen Staates nicht in erster Linie vom «deutschen Wesen» her zu erfassen ist. Bei aller äußeren Kleinheit war Liechtenstein groß genug, auf seinem Territorium zwei Volksstämme, Alemannen und Walliser, zu beher­ bergen. Daß sich hier keine «Nation» bilden konnte, lag wiederum nicht an der Kleinheit des Landes — Andorra bezeichnet sich selbst heute noch als den «einzig freien Teil der katalanischen Nation!» — sondern daran, daß die Bewohner erst spät zu politischer Willens­ bildung, zu sozial-kultureller Selbständigkeit gelangten. Das Volk von Liechtenstein ist in früheren Jahrhunderten kaum gefragt wor­ den, ob und wie es sein Zusammenleben und seine Zukunft gestalten wollte. Die Fürsten, die das Gebiet aus der Konkursmasse verschul­ deter Grafen kauften, gaben dem Land ihren Namen, nicht umge­ kehrt. Der Staat wurde aus der Taufe gehoben zu dem einzigen 57
	        

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