Volltext: Beiträge zur liechtensteinischen Staatspolitik

1. Veränderte Verhältnisse Wiederum zunächst zum ZV: Wenn am 29. März 1973 fünfzig Jahre seit der Unterzeichnung des Vertrages vergangen sein werden, werden sich die Handels- und Zollverhältnisse in Europa gegenüber dem Jahre 1923 grundlegend verändert haben. Die Schweiz und Liechtenstein werden einer Handelszone angehören, die voraussichtlich zehn Mit­ gliedstaaten der Europäischen Gemeinschaften (EG) und mit Liech­ tenstein sieben weitere Staaten, insgesamt gegen 300 Millionen Ein­ wohner, umfaßt. Die Handels- und Zollschranken für industrielle Güter aus diesem Großraum werden in wenigen Jahren beseitigt sein. Auch wenn der Einbezug mit einer industriellen Freihandelszone und einigen anderen Dingen anfängt, so ist die Schweiz an einem «ent­ wicklungsfähigen» Abkommen und an der «zweiten Generation» der EG interessiert93). Die Markterweiterung, wie sie seinerzeit von Liechtenstein in die Schweiz hinein gesucht wurde, wird sich — zu­ mindest für Industriegüter — bald über ganz Westeuropa, die Schweiz und Liechtenstein einschließend, erstrecken. Dies hat einen unausweichlichen Substanzverlust unseres beiderseitigen ZV zur Folge, und zwar in dem Maße, als sich die Schweiz selbst in die um­ greifende wirtschaftliche Integration begibt. Für einen Staat wie Liechtenstein bedeutet das Aufreißen der Grenzen teilweise den Ver­ lust des Geschütztseins in vertrauter Größenordnung und — von Liechtenstein her gesehen — in nahezu exklusiver freundschaftlicher Bilateralität. Selbst wenn die Schweiz das Recht zu autonomer Handelspolitik mit Drittstaaten behält, so ist dies zwar sehr erheblich für die Unabhän­ gigkeit und Neutralität, de facto aber wird sich der Handel (im Falle Liechtensteins über 80 °/o der industriellen Exporte94) weitgehend innerhalb des westeuropäischen Großraums abwickeln. Auch sind «wegen des im GATT verankerten Meistbegünstigungsprinzips», wor­ auf Binswanger und Mayrzedt hinweisen, «bilaterale Handelsver­ tragsverhandlungen zwischen den Vertragspartnern des GATT un­ 9S) «Schweizerische Erklärung an der Zusammenkunft auf Ministerebene zwischen den EG und der Schweiz», Brüssel io. n. 1970, veröffentlicht im BB1 1971 I 37 
66; Bericht des BR über «Die Entwicklung der Europäischen Integrationsbestrebungen und die Haltung der Schweiz» vom 11. 8. 1971, BB1 1971 II bes. 765 f., 773 f., 777. Voraussichtliche Vereinbarung einer Absichts­ erklärung in der Präambel zum Abkommen Schweiz-EG über die «Entwicklungsfähigkeit» des Ab­ kommens, sofern das diesbezügliche beiderseitige Interesse gegeben ist. Die Schweiz hätte sogar eine «gestaltende Mitwirkung» vorgezogen. Die beabsichtigte eidg. Volksabstimmung zeigt, daß es sich beim Abkommen Schweiz-EG, zumindest nach seiner faktischen Bedeutung und tendenziell nicht um ein solches herkömmlicher Art handelt. Vgl. dazu Botschaft des BR an die Bundesversammlung betr. die Genehmigung der Abkommen zwischen der Schweiz und den EG vom 
16. 8. 1972, S. 129 ff. bes. 141 ff. •4) Jahresbericht 1971 der Liechtensteinischen Industriekammer: Exporte 1971 in EFTA- und EWG- Länder 82,j °/o; auch die übrigen Exporte dürften größtenteils die Vorteile der Meistbegünstigungs­ klausel des GATT genießen. 39
	        

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